Danksagung

(c) Klaus Marion 1992

erschienen 12/92 in VorSicht


Danksagung

Alle Jahre wieder ist es soweit. Unter dem geschmackvoll drapierten Weihnachtsbaum stapeln sich Unmengen von Geschenken. Du läßt Deine Äuglein abschätzend über den Berg der Gaben kreisen, als Dich eine Verpackung wie magisch anzuziehen scheint. Du spürst es in Deinen Fingerkuppen: Diese Objekt enthält die Erfüllung eines schon seit ewigen Zeiten gehegten Wunsches. Du weißt noch nicht, was es ist, aber es erscheint sonnenklar: Hier drin ist ES. Du reißt die Verpackung auf, das vergoldete Licht der Weihnachtskerzen fällt auf...

Ein Krawatte.

Nicht irgend ine Krawatte, sondern ein Halsbinder, der selbst in den übelsten Frankfurter Zuhälterkreisen als geschmacklos empfunden würde. Eine Zumutung. Ein Monstrum.

Normalerweise könnte man jetzt diese Entgleisung kommentarlos übergehen und das Objekt des Anstoßes ohne längere Beileidsbekundungen dem Sondermüll übergeben. Leider erweist das vorsichtige Schielen auf die beigelegte Glückwunschkarte, daß das edle Geschenk aus dem Hause Deiner Erbtante (oder einem sonstigen nahen Verwandten, Deinem Chef etc) stammt, die Deinen Lebenswandel sowieso mit misstrauischen Blicken zu betrachten pflegt.

Nun gut, wir werden uns bedanken müssen. Diesem Thema sei diese heutige Lebenshilfe gewidmet.

1) Die Hymne (Erweiterte-Basar-Methode)

Besonders wortgewandten Naturen ist diese Form des Dankes zu empfehlen. Spare an keinen Worten, verziere jedes Wort des Dankes mit einer Wolke von Adjektiven und Adverbien. Übertreibe hemmungslos. Schreibe Sätze wie: "Die strahlende Eleganz, die Eloquenz der Struktur des in Krawattenform gegossenen Bildes dieses Künstlers, die Ausstrahlung der unsterblichen Aura dieses gewaltigen, jetzt meinen Hals verzierenden Kunstobjektes..."

Kein Bild ist zu dämlich, um nicht Verwendung zu finden. Orientiere Dich an der Beschreibung von modernen Gemälden, um möglichst unverständliche Lobeshymnen zu kreieren.

Selbst wenn der Empfänger der Zeilen zuerst mal summarisch 80 % als Übertreibung abzieht, bleibt noch genügend, um für immer im Gedächtnis des geschmacklosen Schenkers zu verbleiben.

2) Klassiker

Eine beliebte Methode ist der Zitaten-Dank. Man nehme ein beliebiges Zitatenlexikon, blättere es blind durch und lasse den Finger an einer beliebigen Seite auf ein Zitat fallen. Trage es unbesehen auf eine Glückwunsch-Karte ein. Je verquerer der Zusammenhang, desto tiefsinniger scheint dem Empfänger Dein Dank zu sein (und die Einschätzung Deines Intellekts):

"Erloschen sind die heitern Sonnen,
die meiner Jugend Pfad erhellt;
die Ideale sind zerronnen,
die einst das trunkne Herz geschwellt.

Schiller

DANKE! "

3) Ironie

Die vorher vorgestellten Methoden haben natürlich alle einen kleinen Nachteil. Der so bedanklich Bedachte wird zumeist mit stolzgeschwellter Brust Deine Zeilen im nahen Freundes- und Verwandten-Kreis herumreichen. Da besteht natürlich die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, daß eine Person, die die Dir geschenkte Scheußlichkeit mit eigenen Augen ansichtig wurde, Dich für einen elenden Schleimer und Schmeichler halten könnte. Auch wenn er damit recht haben sollte, bleibt dies doch ein Vorwurf, den wir nach Möglichkeit vermeiden sollten. Also: Ironie.

Schreibe über den goldenen Telefonwähler von Eduscho (6,70 DM incl MwSt), daß Dich die Höhe der Ausgabe zutiefst beschämt hätte, über die Geschmacklosigkeit der erwähnten Krawatte, daß Du beeindruckt über den Zielsicherheit des Geschmackes des Spenders wärst, und zu dem nasenbeleidigenden Gestank des Rasierwassers von Woolworth, daß es schon erstaunlich sei, zu welchen olfaktorischen Höhen sich die Parfümindustrie aufschwingen würde.

Mit solchen Sätzen warst Du Deinen Ruf als diplomatischer Geist und Dein die Wahrheit ahnendes Gegenüber kann sich nicht einmal beschweren.

4) Die Wahrheit

Praktizierenden Christen, gewissensreiche Ethiker und simple Feiglinge, die sich nicht zu irgendwelchen Lügen durchringen können, sei diese Methode wärmstens empfohlen. Folgende Wendungen haben sich in besonderem Maße als nachahmenswert erwiesen.

"Solch ein Geschenk - ich bin fassungslos! Danke."

"Ich habe geweint."

"Niemals zuvor habe ich etwas vergleichbares bekommen"

"Unbeschreiblich!"

"Die menschliche Sprache reicht nicht aus, um meine Empfindungen zu schildern"

5) Sprachlosigkeit

Leider gibt es auch die bedauernswerte Situation, daß der Absender des grauenhafte Präsentes zum Zeitpunkt des Auspackens im selben Raum verweilt. Ist also der Moment des fassungslosen Betrachtens des Objektes des Anstoßen vorüber, drängt die Zeit, aus der zusammengeschnürten Kehle einige passende Worte zu pressen. Während Gebrauchtwagenhändler und Versicherungsvertreter zumeist problemlos die Methoden 1 und 2 auch direkt dem Gegenüber ins Gesicht sagen können, sträubt sich bei den meisten Zeitgenossen die ganze Seele gegen irgendwelche Worte, die die entpackte Geschmacklosigkeit noch in irgendeiner Weise erwähnen.

Hier sei geraten, sich mit stockender Stimme auf kurze Satzfetzen zu beschränken. Beliebte Wendungen sind:

"Was soll ich sagen?", "Ich... also..." oder "Mir fehlen die Worte". In Extremfällen ergreife die Hand Deines Gegenübers, blicke tief in seine Augen, und schlucke ein oder zweimal. Danach wende Dich ab, um Deiner Gefühlsaufwallung Herr zu werden.

 

Wem dies alles zu kompliziert ist, oder ein baldiges Auswandern auf eine Fidschi-Inseln plant, kann natürlich auch mit einer absoluten entwaffnenden Methode sein Gegenüber verblüffen.

"Danke für das Mistding. Ich erkläre Dir jetzt mal, wo Du Dir den ekelhaften Lappen hinstecken kannst..."

Dann ist Ruhe. Für immer.

 

Klaus Marion


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Last updated 98/05/03