Ordnung muß sein

(c) Klaus Marion 1994

erschienen in VorSicht


Mein Frau und ich verbringen seit Jahren unseren internationalen Urlaub in einem Stoffgebilde, das gemeinhin prosaisch als Zelt bezeichnet wird. Das uns gehörende Exemplar ist aus der Gattung der 3-4 Personenzelte, weist keinerlei Ähnlichkeit mit bei der Bundeswehr Verwendung findenden Examplaren ("Dackelgaragen") auf, bleibt trotz beachtlicher Größe aber ob seiner dezenten Farbe landschaftlich unauffällig.

Unser bevorzugtes Ziel liegt im Norden Europas in Form der skandinavischen Länder. Leider sind die blumigen Versprechnungen der dortigen Fremdenverkehrsbüros ("Erleben Sie den Elch, die wilde Natur, die natürlichen Menschen") nur allzu wahr. Beim erlaubten aufstellen der nächtlichen Unterbringungshilfe in abgelegenen Gegenden stellt man fest, daß die Wälder Schwedens bei Nacht zuweilen von seltsamen Tieren besucht werden, daß morgens die Lebensmittelvorräte von Ameisen, Igeln oder diversen Rabenvögeln verzehrt wurden und einheimische Personen in zuweilen unverständlichem Idiom irgendwelche Dinge von sich geben.

Also verbringen wir die Nächte gemeinhin auf Campingplätzen. Dort sind die Leute sehr nett, kinderfreundlich, die Plätze liegen meist im Wald und sind relativ elchsicher.

Die Entfernung dieser nordischen Gestade macht es jedoch manchmal erforderlich, kleinere Zwischstopps auf der Fahrt einzulegen. So haben wir schon öfters die Gunst der Stunde genutzt, einige Tage auch im Norden Deutschlands auf den deutschen Stätten der campophilen Gastlichkeit zu verweilen. So auch dieses Jahr...

 

Die Gestalt an der Rezeption starrte mich mit finsterem Blick an. Es ist eine statistisch nachgewiesene Tatsache, daß 95 % aller deutschen Campingplatzverwalter wie im Krieg ergraute Feldwebel aussehen, zumeist nicht größer als 1,65 groß zu werden pflegen und ihre Stimme gewöhnlich ins feldwebelhafte spielt. Eine von mir vertretene Theorie geht von Spontanmutationen bei Arbeitsbeginn aus und wird gerade von einer süddeutschen Universität überprüft.

"Sie wollen also einen Platz??"

"Jawoll!" Ich nahm unwillkürliche Haltung an. Der Blick meines Gegenübers tastete sich langsam von oben nach unten, registrierte fehlende Rasur, unordentliche Frisur und verblieb kurzzeitig an meinem T-Shirt, das in comicartiger Darstellung einen widerrechtlich ein Elch-Straßenschild entfernenden Schweden-Touristen zeigte.

Seine Finger wippten leicht auf der Tischplatte.

"Wir sind ziemlich besetzt..."

"Nun, wir sind non-stop 900 km gefahren, mein kleiner Sohn braucht dringend Schlaf, meine Frau ist mit den Nerven fertig..."

Er wischte meine Einwände mit einer kurzen Handbewegung beiseite.

"Haben Sie einen Hund?"

Ich überlegte. In Deutschland, das ist eine Grundregel in jeder Lebenslage, lautet die einzig richtige Antwort auf eine derartige Frage ein deutliches :"ICH? Nein!", besser noch ein "was ist denn das?".

Nun war aber der ausgesuchte Platz ausdrüclich als "für Hundebesitzer erlaubt" ausgewiesen. Wir verbessert man seine Chancen auf eine Platzanwartschaft??

"Nun, mein Sohn hat einen Dackel. Von Steiff. Dabei..."

Mein Gegenüber richtete sich zu seinen vollen 1,55 Metern auf und gab sich einen Ruck.

"Nun, wir haben noch einen sehr schönen Platz. Neben den Toiletten. Wenn Sie bitte diesen Fragebogen ausfüllen würden."

Das Ausfüllen der üblichen Fragen wie Anschriften und Geburtstage der näheren Verwandten, Impfzeugnisse, Blutgruppe, Vermögensverhältnisse, Nummern von KFZ-Schein, Paß und Sozialversicherung, Hobbys, Grund des Urlaubs, Arbeitgeber, Lebenslauf, größere Operationen, Seuchenpaß, Geschlechtskrankheiten etc bereitete mir keine Schwierigkeiten.

Erst auf Seite 3 stieß ich auf einige Unklarheiten.

"Was soll das heißen: 'Anzahl der Vorstrafen'. Und wieso wird die 'Beibringung eines polizeilichen Führungszeugnisses' verlangt, auf Seite.äh 7 ?"

"Junger Mann, ein Campingplatz ist ein Ort der Erholung und Ruhe. Wir sorgen durch eine rigorose Auswahl für Verhältnisse, in denen Sie sich rundum wohl fühlen können. Es dient nur Ihrem Schutz. Ihren Fahrzeugschein bitte..."

Nach eingehender Prüfung und unter Hinterlegungung zweier Blanko-Schecks wurde mir meine persönliche Nummer zum Anheften an das Zelt überreicht.

"Moment. Noch ein paar grundsätzliche Platz-Regeln. Es gilt die StVO in ihrer aktuellen Fassung. Ruhezeiten von 21 Uhr bis 7 Uhr. Danach aufstehen und bis 9 Uhr waschen. Sollten Sie später kommen, haben Sie Pech. Die Waschräume bleiben wegen Reinigungsarbeiten bis gegen 12 Uhr versiegelt. Dasselbe gilt für die Toiletten!"

"Ach..."

"Kein Kinderlärm in den Mittagspausen zwischen 12 und 15 Uhr. Ab 18 Uhr sind die Kinder is Bett zu bringen. Verstanden?"

"Ist das notwendig?"

"Unbedingt! Schließlich wollen wir uns ja alle erholen. Weiter: Zeltaufbau. Zelte werden in strenger Ausrichtung rechtwinklig zu den Stichstraßen errichtet Bei gebogenenen Stichstraßen ist das Zelt tangetial zu kürzesten Verbindung zur Straße ab Mittelstange zu orientieren. Mindestabstand zur Nachbarparzelle beträgt 1, 45 Meter, zu messend ab Einstichstelle Hering. Zelt-Ausgang ist zur Straße hin auszurichten, damit eine regelmäßige Sichtkontrolle seitens des Platz-Ordnungsdienstes auf korrekte Bewohnung erfolgen kann. Platz-Ordner sind an der Weißen Armbinde mit schwarzer Schrift "ORDNER" erkenntlich. Büsche un Bäume sind zu schonen, das Anhängen von Wäscheleinen und Hängematten hat zu unterbleiben. Kein Bäumeklettern für Kinder. Keine Musik. Autoradius sind zu deaktivieren. Klar?"

"Ja..."

"PKWs sind planparallel zur Zeltgrundfläche zu parken. Der Abstand zur Nachbargrenze darf hier bis 0,57 Meter reduziert werden. Kein Türenschlagen in der Nachmittagsruhe zwischen 15 und 17 Uhr 30. Dann: beim Verlassen des Platzes mit dem PKW hat sich der Camper an der Rezeption abzumelden. Gleiches gilt für das Betreten sinngemäß. Die Platzleitung behält sich das Recht auf Stichprobenhafte Überprüfung der einfahrenden Personen vor. Stehen Sie bequem! Haben Sie Lust zu grillen?"

"Oh ja, gerne, vielen Dank..."

"Aha. Grillen und ähnliche Rauchbelästigungen sind auf dem Platz strengstens verboten. Ein Grillplatz befindet sich in ca 3500 Metern in nördlicher Richtung, nur zu Fuß erreichbar. Anmeldung Montags und Donnerstags zwischen 18 und 19 Uhr."

Ich schluckte einmal kurz.

"Wir dulden keine exdtremistischen Schriften auf diesem Platz. Mitgebrachte ausländerfeindliche Schriften sind in der bereitgestellten Tonne zu entsorgen. Rücksicht auf die abweichende Meinungen der anderen Camper ist selbstverständlich. Deswegen sind gleichfalls folgende Schriftwerke zu beseitigen: "SPIEGEL, STERN, Tageszeitungen aller Art. Comics für Kinder sind nach Prüfung zu genehmigen."

"Aber herumsitzen ist erlaubt?

"Selbstverständlich in geordneter Form. Das benutzen von Campingstühlen ist obligatorisch. Sinnloses Herumsitzen, hängen oder sonstiges lümmeln ist zu unterlassen. Oben-Ohne-sonnen wird mit sofortigen Platz-Verweis geahndet. Alles verstanden?"

"Ja"

"Okay. Dann weggetreten. Marsch Marsch! Der Nächste bitte."

 

Klaus Marion


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Last updated 98/05/03