Call-Center

© Klaus Marion 2005

erschienen in VORSICHT 4/2005

 


Es ist noch gar nicht lange her, da rief man bei Problemen mit Geräten des Haushalts den Fachhändler um die Ecke an. Doch diese Zeiten sind unwiderruflich vorbei. Heute werden Reklamationen im Call-Center bearbeitet. Das ist keine Institution aus dem Rotlichtmilieu, sondern ein Zentrum, bei dem hochspezialisierte Experten mit Rat und Tat vor Ort bestehende Probleme lösen können. 
Meistens wenigstens.

Der neue Toaster streikte. Trotz gutem Zurreden weigerte er sich plötzlich hartnäckig, eingeführte Brotscheiben zu bräunen. Statt dessen produzierte er sporadisch hübsch anzusehende Funken sowie kleinere Rauchwölkchen.
"Bring das Ding zurück! Da ist ja schließlich noch Garantie drauf!"
Meine Frau hatte völlig recht.
Eilig begab ich mich zur Filiale des Discounters, bei dem ich das hübsch anzusehende Stück Küchentechnik vor nicht allzu langer Zeit erworben hatte. Leider erhielten meine Erwartungen durch den für Reklamationen zuständigen Mitarbeiter einen Dämpfer.
"Reparaturen machen wir nicht selber. Das müssen Sie an den Hersteller einschicken. Am besten rufen Sie aber erst einmal im Call-Center an. Zur Klärung der Details."
Zwar hatte ich gehofft, durch direkten Umtausch sofort wieder in Besitz eines funktionsfähigen Brotrösters zu kommen, doch erschien mir der vorgeschlagene Weg einleuchtend. Schließlich muss der Hersteller, insbesondere, wenn er eine etwas umfangreichere Produktpalette besitzt, eine gewisse Ordnung in seine Reklamationsorganisation bringen.
Zumal das kleine Kärtchen, dass mir überreicht wurde, eindeutig darauf verwies, dass die anzurufende Rufnummer gebührenfrei sei.
Es klingelte.
Eine Stimme teilte mir mit, dass mein Gespräch zu Servicezwecken aufgezeichnet werden könnte, danach wieder ein kurzes Klingeln.
"Hajam ran baintu?"
"Ja ja. Mein Toaster ist defekt"
"Oh, Sie spreche Deutsch? Entschuldige Sie. Was kann ich für Sie tun?"
Die weibliche Stimme mit einem unzweifelhaft vorhandenem, aber nicht klar einzuordnenden Akzent klang sehr nett und sympathisch.
"Nun, ich habe ein defektes Gerät..."
"Was Gerätenummer für?"
"Oh, das weis ich nicht genau. Ein Toaster. Moment..." Ich drehte das Gerät auf den Kopf und fand tatsächlich eine kryptische Buchstaben/Zahlenkombination.
"AX27-TES12. Glaube ich"
"Moment, ich schauen nach... Gartepflug?"
"Äh nein, ein Toaster." Ich wiederholte die Nummer.
"Bitte entschuldigen., Jetzt habe Unterlagen. Wir prüfen zusammen jetzt Details? Wegen Reparatur?"
"Ja."
"Gut. Haben Gebrauchsanweisung gelesen?"
"Ja, das habe ich."
"Gut. Sicher sein, dass keine Fehlbedienung vorliegt?"
"Hören Sie, da bin ich sicher. Der Toaster toastet nicht mehr, er sprozzelt nur elektrisch. Und qualmt. Riecht verbrannt!"
"Gut. Ja. Muss aber durchgehen Frageliste. Du haben gesetzt Stecker in Dose?"
"Ja."
"Haben gedrückt herunter Handbedienhebel?"
"Das habe ich."
"Auch eingeführt Scheiben von Weissbrot, deren Abmessung innerhalb der durch die technischen Spezifikationen vorgegebenen Werte liegen?"
"Ich glaube schon..."
"Ist Zeitschalter gewahlt?"
"Ich bin mit der Bedienung eines Toasters vertraut!"
Die nette und freundliche Stimme am anderen Ende war einen Moment ratlos
"Getraut? Verheiratet?"
Anscheinend hatten wir ein kleines Sprachproblem. Ich versuchte, durch ein paar freundliche Worte die Atmosphäre zu verbessern.
"Leben Sie eigentlich schon lange hier?"
"Hier? In Delhi?"
"Ich telefoniere mit Delhi?"
"Darf ich nicht sagen. Bitte vergessen."
"Ach so. Das Call-Center ist in Indien?"
"Bitte vergessen. Du sollen denken, ich bin in... Deutschland?"
"Ja, Deutschland. Und ich brauche nur eine Adresse, wohin ich meinen Toaster einschicken kann. Zur Reparatur. Oder Austausch."
"Austausch? Was ist Austausch? Du sprechen vielleicht Hindi?"
"Nein"
"Ich muss weiter fragen nach Liste wegen Bedienung: Du haben korrekt gestellt Gerät ebenerdig?"
"Ich bitte Sie! Ich habe den Toaster korrekt bedient. Ich kenne Toaster. Und dieser Toaster ist ein toter Toaster. Ich möchte ihn repariert haben. Oder getauscht. Meine Familie ist darauf angewiesen. Sagen Sie mir einfach, wohin ich ihn schicken muss. Bitte!"
Die Stimme am anderen Ende begann zu schluchzen.
"Ich muss aber frage. Sonst nicht weiß, ob Du gemacht alles richtig bei Gerät. Ich nehme hier an Gespräch für 2300 verschiedene Gerät. Muss fragen. Habe Liste"
"Das verstehe ich ja. Aber was soll man denn falsch machen, bei einem Toaster?"
"Weiß nicht... Was ist das eigentlich: ein Toaster? Hallo? Du noch dran?"

Klaus Marion


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Last updated 11.10.05