Der Müll

(c) Klaus Marion 3/2004

erschienen in VorSicht

 


Zu den eindrucksvollsten Erinnerung meiner frühen Kindheit gehörte ein Besuch auf der Mülldeponie zwecks Entsorgung von allerlei Holz- und Farbabfällen, deren Verbleib im Haushalt nicht bis zum offiziellen Sperrmülltermin verlängert werden sollte.
Das Ganze war sehr unkompliziert, ein missmutiger Pförtner warf einen Blick ins elterliche Auto, grummelte irgendetwas unverständliches und wies wage auf eine Ecke der Deponie, wo bereits allerlei Schrott und Altholz lagerten, während bis zum Horizont große baggerähnliche Fahrzeuge den Müll planierten.
Wir warfen unsere Teile zum schon herumliegenden Abfall dazu und fuhren wieder nach Hause.
Absolut unkompliziert. Ich war eigentlich der Ansicht, dass sich daran bis heute nichts nennenswertes geändert habe

"Du musst endlich mal den ganzen Müll entsorgen!" Mein Frau wies bestimmt auf die verschiedenen, dem Garten ein leicht bergmännisches Aussehen gebenden Haufen, in denen sich allerlei Tapetenreste, Rigipsplatten, Hölzer und einzelne Mauerreste befanden, Überbleibsel so mancher winterlichen Bastelstunde mit Duschwannen, neue Türen und Raumteilungen.
"Kein Problem, das gebe ich einfach zum Sperrmüll!"
Mit einem kurzen Anruf versuchte ich, den entsprechenden Termin in Erfahrung zu bringen.
"WAS wollen Sie auf den Sperrmüll geben??"
"Nun, äh... Rigipsplatten, ein paar Mauersteine, etwas Putzreste..."
"Das geht doch nicht! Wo kommen wir denn dann da hin?" Die Stimme was sehr ungehalten. Ich versuchte schüchtern einen Einwand.
"Aber, ich dachte... dazu wäre der Sperrmüll da?" I
"Ich bitte Sie! Wir werfen ja nicht einfach alles in die nächste Baugrube. Das muss sortiert, wiederverwertet oder entsorgt werden! Sortenrein!"
"Also auf die Deponie?"
"Deponie? Ja wollen Sie denn die Umwelt völlig versauen? Mit Ihren komischen Bauabfällen gehen Sie mal schön zum Wertstoffhof!"

Aha. Ich packte also unser Familienfahrzeug mit allerlei gesammelten Müll voll, um diesen direkt am Wertstoffhof abzuliefern.

Am Eingang wurde ich aus meinem Fahrzeug heraus- und zu einem Empfangshäuschen gewunken.
"Was haben Sie"
"Normale Bauabfälle"
"Fahren Sie hoch auf die Rampe!"
Ich bedankte mich höflich und fuhr in die angegebene Richtung. Tatsächlich führte eine Rampe halbbogenförmig nach oben, wo am Rande der Fahrstrecke lauter einzelne, riesige Container standen.
Ich fuhr nach oben, sucht mir einen schönen, leeren Container aus und hielt am Rand. Ich öffnete die Heckklappe griff nach den ersten Abfällen.
"HAALT! Sind Sie wahnsinnig?!"
Eine Person in Arbeitskleidung näherte sich schnellen Schrittes.
"Was machen Sie denn da??"
"Ich, äh, werfe die Abfälle hier hinunter..."
"Aber doch nicht Gipskarton! Das hier ist der Container für Buntmetall. Können Sie eigentlich nicht lesen?"
Tatsächlich. Neben allen Containern war ein kleine Schilder befestigt, auf dem der ausschließliche Inhalt festgehalten war.
"Das habe ich übersehen. Wo muss ich also..."
"Da hinten. Container 28. Gipsreste/Kartonagen, verunreinigt. Das mir das nicht mehr vorkommt!"
Ich gelobte Besserung , stieg ins Auto und fuhr schnellstmöglich zum angegebenen Behältnis. Hier schien ich richtig zu sein. Ich griff nach meinen gesammelten Abfällen und warf die erste Ladung im hohen Bogen...
"HAAALT! Ja was ist denn das??" Der Mann kam wild gestikulierend auf mich zugerannt.
"Was tun Sie denn jetzt schon wieder?"
"Aber Sie haben gesagt, ich solle hier..."
"Da ist aber noch Holz dran. Sieht das hier aus wie ein Holzcontainer?"
"Äh..."
"Nein. Holz kommt dort drüben rein."
"Aber... die sind noch fest miteinander verbunden?"
"Dann nehmen Sie hier das Stemmeisen und trennen Sie die Teile!" Er blickt in meine Heckklappe. "Plastik kommt übrigens hier nebenan rein." Er warf das Plastik zielsicher in einen Container. Ich starrte ihn an.
"Das war mein Verbandskasten!"
"Dann sind da ja noch Nichtplastikteile drin. Das geht aber nicht!. Sie müssen schon sortenrein anliefern!! Und jetzt Tempo, es warten noch andere!"
Unter seinen drohenden Blicken zerlegte ich eiligst Gipskarton und Holz, warf ersteres in den Container und fuhr mit letzterem zum Behältnis, dessen Inhalt und Aufschrift Holz vermuten ließ. Mit einem großen Schwung holte ich aus...
"HAAAAALTT! Sind Sie denn noch zu retten???"
"Moment mal. Das ist Holz, und hier kommt das Holz rein!"
"Aber nur Unbehandeltes. Da ist ja überall Farbe drauf. Kontaminiertes Holz kommt in Container 13. Sie scheinen ja nicht gerade der hellste zu sein?"
"Ich darf doch sehr bitten. Ich bin Programmierer. Ich steuere große Computer. Auf mich hört eine ganze Abteilung!"
"Hier nicht. Hier trennen Sie erst mal Ihren Müll!"
Ich fuhr kleinlaut weiter zum Bauschuttcontainer.
"ICH SEH WOHL NICHT RICHTIG!" röhrte es aus der Ferne. "Sind das etwa Dämmfaserplatten zwischen Ihren Mauersteinen?? Die kommen in Container 8, Restmüll, kontaminiert, diverses."
"Aber..."
"Jetzt reichts. Kommen Sie mal her. Sie scheinen die moderne Abfalltrennung wohl nicht ganz ernst zu nehmen. Wir üben das jetzt mal!"
Eine halbe Stunde später konnte ich die Inhalte der verschiedenen Container ordnungsgemäß aufsagen und wurde mit einem Zettel über die zu bezahlenden Mengen knapp entlassen. Ich fuhr nach Hause
"Und, bist Du alles losgeworden?" Meine Frau betrachtete unsere leeres Auto interessiert.
Ich holte tief Luft.
"Wie ich schon sagte. War alles gar kein Problem. "

Klaus Marion


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Last updated 08.07.05