Spaß muß sein

(c) Klaus Marion 1996

erschienen in VorSicht


Bad Kreuznach, die Heimatstatt des Autors dieser Zeilen, zählt mit seinen im Stadtgebiet ansässigen 30.000 Einwohnern zu den eher kleinen Gemeinden.

Umso überraschender war es, daß die Stadtverwaltung dem Trend anderer Großstädte folgen wollte, endlich ein millionenschweres Spaßbad in seinen Grenzen zu installieren. Stoff genug für erregte kommunale Diskussionen. Nachfolgende Geschichte erschien zum 1. April 1996.


Manchmal kommt es überraschend. Sollte noch diese Ausgabe der VORSICHT unter dem Zeichen der massiven Proteste Bad Kreuznacher Bürger gegen das geplante Spaßbad auf dem Kuhberg stehen, so hat eine überraschende Entwicklung die Stadtdiskussionen zum Bad wie auch zum geplanten Parkhaus auf dem Bahnhofsplatz in völlig neue Bahnen gelenkt.

War noch letzte Woche von Seiten der Fraktionen von SPD und CDU ein klares Bekenntnis zu beiden Projekten offizieller Stand der Information, so kam es nach einer turbulenten Sitzungswoche zu einer geradezu sensationellen Entscheidung: Kein Spaßbad auf dem Kuhberg!

Wie wir in einem exclusiven Interview erfahren konnten, hat man in nichtöffentlicher Sitzung ein völlig neues Konzept beschlossen:

Auf dem Bahnhofsvorplatz wird das innovative Konzept der Nordsee-Wasserbahnen-und-Parkplatz-Stadtentwicklungsgesellschaft Büsum mbH (NoWaPaStaBü mbH) verwirklicht. Nach 16 monatiger Bauzeit soll am 11. November 1997 offizielle Einweihung des ersten Bad Kreuznacher Spaß- und Erlebnisparkhauses gefeiert werden.

Das Spaßparkhaus verbindet die Funktionen eines Parkhauses mit der eines spaßbadorienterten Hallenbades auf elegante Weise unter maximaler Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Platzes.. Damit gelingt es, gleichermaßen Parkraum in zentraler Lage zu bieten, wie auch einen verkehrstechnisch günstigen Spaßbadbetrieb in unmittelbarer Nähe zu Parkplätzen und Bundesbahn.

Das Konzept ist bestechend. Statt wie in einem Parkhaus jeweils zwei versetzte Halbstockwerke mit Rampen zu verbinden, werden beim Spaß- und Erlebnisparkhauskonzept durch die Fahrzeugrampen jeweils ein Halbstockwerk übersprungen. Parallel dazu sind die übersprungenen Halbstockwerke wiederum durch Treppen und Wasserrutschen miteinander verbunden und bilden das wohlige Ambiente für ein integriertes Spaß- und Vergnügungsbad, daß höchsten Ansprüchen gerecht wird.

Die nüchternen Zahlen: 8 Stockwerke, davon zwei unter der Erde, 640 Stellplätze, 5000 qm Wasserflächen, in 8 Etagen. Zwei komplette Schwimmerbecken mit Seitendurchstromung. Besondere Attraktion sollen die Wasserrutschen sein, über die zahlenden Schwimmer die Gesamtstockwerkzahl in schnellem Beritt durchfahren können. Dabei werden durch Plexiglasröhren auch die Parkhausstockwerke durchfahren. Es können dabei über 900 Meter Rutschbahn durchfahren werden. Eine Gegenstromanlage mit Wasserführung befördert die Schwimmer auf Wunsch automatisch wieder in die höheren Becken.

Interessant ist die breite Zustimmung, die das Projekt im politischen Raum gefunden hat. Das Konzept habe nach Angaben aus der Grünen Fraktion im Kreuznach Stadtrat, die trotz der vereinbarten Vertraulichkeit einzelne Details durchsickern ließen, besonders ökologisch hochinteressante Aspekte. So können die warmen Autoabgase sowie die von den Motoren abgestrahlte Wärme durch Wärmetauscher direkt an die Wasserflächen über und unter den Parkplätzen abgegeben werden. Gleichzeitig könne durch eine Durchwirbelung des Abluft mit wiederverwertetem Schwimmwasser eine Luftreinigung durchgeführt werden, die das Mikroklima am Bahnhofsplatz positiv beeinflusse.

Wie uns Helmut Plattenberg, Planungsleiter der Nordsee-Wasserbahnen-und-Parkplatz-Stadtentwicklungsgesellschaft Büsum mbH erläuterte, ist das Konzept schon zweimal in der Praxis in kleinerem Rahmen erprobt worden. So wurde schon 1993 in Neuruppin mit Hilfe der Treuhand eine zweistöckiges Testanlage errichtet, die allerdings die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Die Anzahl der in den ersten 6 Monaten eingestellten Fahrzeuge lag weit unter den Erwartungen, so daß die durch Wärmetauschung gewonnenen Heizwerte nur eine Erwärmung auf maximal 16 Grad Wassertemperatur erlaubten. Der Versuch, ausbleibende Besucherzahlen durch den geschlossenen Besuch von Truppenteilen der russischen Streitkräfte in Deutschland Ost zu ersetzen, war nur Teilerfolg beschieden. Die inzwischen weiter gesunkenen Wassertemperaturen führten zu mangelnder Akzeptanz der sibirischen Truppenteile, so daß das Gebäude inzwischen vom dualen System als Zwischenlager für wiederzuverwertende Plastikabfälle genutzt wird.

Die zweite Anlage wurde durch exzessiven Pilzbefall zerstört.

Plattenberg sieht jedoch hier in Bad Kreuznach einen enormen Vorzug des gewählten Standorts, der die Rentabilitätsschwelle erreichen hilft.

Besonders die Bahn AG hat bereits durch ihren Pressesprecher durchblicken lassen, daß an eine Regionalanbindung an das Spaßparkhaus gedacht sei. Eine Aktion im Rahmen von InterRail könne als InterSchwimm durchaus potentielle Schwimmer direkt vor Ort des Geschehens bringen.

Auf die Frage, ob eine geplante Rutschröhre durch die Bahnhofsvorhalle zurück zum Spaßbad realisiert werden wird, wollte Plattenberg sich im aktuellen Stadium jedoch nicht äußern.

Von der Preisgestaltung sind besonders attraktive Preise geplant: Neu soll ein Park&Swim-Ticket sein, daß neben der Nutzung der Parkflächen auch einen einstündigen Besuch der Wasserspiele gestattet. Um die Nutzung zu optimieren, soll das Bad 24 Stunden geöffnet sein, wobei die Nachtarife deutlich unter denen des Tages angesiedelt werden.

Bei der alleinigen Nutzung als Parkhaus sollen die Tarife in Abhängigkeit der Wärmeausstrahlung der Fahrzeuge via einem Infrarotsensor bestimmt werden. Dagegen wurde von Seiten der SPD-Fraktion mit dem Hinweis widersprochen, damit wären die Besitzer von Fahrzeugen mit großen Motoren besonders begünstigt, was für eine Sozialklausel bei kleineren Fahrzeugen sprechen würde.

Besondere Probleme bereitete die Frage der Bebauung, der ja zwangsläufig die auf der Omnibusinsel stehenden Gebäude zum Opfer fallen würden. Hierbei ist an eine "Verstelzung" des Gesamtgebäudes gedacht, daß die bestehenden Gebäude integriert und direkt mit dem Spaßbad verbindet. Überlegt wird, auf die bestehenden Gebäude einen künstlichen Wasserfall zu lenken, um damit innen eine angenehm tropische Atmosphäre zu schaffen.

Die ersten Spatenstiche werden zum 1.4.96 erwartet.

Auf die Reaktion der Kreuznacher Bürger kann gespannt gewartet werden.


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Last updated 96/11/26